Aerodynamik

Bei normalen Fahrrädern besteht der Löwenanteil des Fahrwiderstandes auf ebener Strecke aus dem Luftwiderstand. Um ein schnelleres Rad zu bauen, muß man also in erster Linie diesen Luftwiderstand zu reduzieren versuchen. Dies kann in kleinem Umfang geschehen wie z.B. der Verwendung eines strömungsgünstigen Helmes oder eines Triathlonlenkers . Das Optimum läßt sich allerdings nur erreichen durch Verkleidung des kompletten Rades inklusive Kopf und Laufrädern.

Magic Scooter 2

Einführung in die Aerodynamik bei vollverkleideten Liegerädern


Die Form für Magic Scooter 2 basiert maßgeblich auf seinem Vorgängermodell. Daher fange ich vom Anfang an und schildere erst einmal die

Entwicklung der Form für Magic Scooter 1 .


Wie bereits unter Konzept erwähnt war das erste Modell "Magic Scooter 1" schon durchaus gelungen, jedoch mit der internationalen Spitze noch nicht konkurrenzfähig. Dies lag hauptsächlich an einem noch zu hohen Luftwiderstand, denn die Performance eines vollverkleideten Liegerades fällt oder steht mit dessen aerodynamischen Qualitäten. Zudem war MS1 bei Seitenwind schwierig zu beherrschen.
Daher wuchs in mir schnell der Wunsch nach einem neuen, aerodynamisch optimierten Nachfolgemodell.
Selbstverständlich hatte ich dabei auch ein Auge auf die Konkurrenz geworfen. Vollverkleidete ( einspurige ) Liegeräder waren im großen und ganzen in zwei Lager gespalten :
  • die mit einer großen Kanzel und einer relativ einfachen Grundform und
  • die mit einer auf die Grundform aufgesetzten Kopfhaube.
  • WhiteHawk Nilgo

    In den Regeln des internationalen Verbandes IHPVA war allerdings damals bereits verankert, daß ein Videosystem zur Kontrolle des Rades zulässig ist. Dies bedeutet, daß damit weder eine große Kanzel noch eine Kopfhaube mit Visier mehr nötig ist. Man kann die Liegeposition noch extremer gestalten und den Kopf komplett hinter dem Körper platzieren. Für die Sicht nach außen wird stattdessen eine Kamera installiert. Der Fahrer hat einen Monitor vor sich und kann nun wie in einem Computerspiel seine Fahrt darauf "verfolgen". Selbstverständlich eröffnen sich hier aus aerodynamischer Sicht noch einmal starke Verbesserungsmöglichkeiten, weshalb es inzwischen auch Räder dieser Art gibt, hier das Modell "Virtual Edge" des Amerikaners Matt Weaver :
    Virtual Edge
    Die Kehrseite der Medaille ist der extrem eingeschränkte Einsatzbereich, d.h. Rekordversuche und ausgewählte Einzelzeitfahren. Der Gedanke an ein solches Rad schwirrte zwar lange in meinem Kopf herum, wurde dann aber doch verworfen. Denn ein Rad, dessen Entwicklung und Bau mehrere Jahre in Anspruch nimmt, sollte meiner Ansicht nach auch zu vielen verschiedenen Rennen gefahren werden können. Und kaum auszumalen, was passiert, wenn der Monitor ausfällt ...

    Wie schon bei MS1 kam auch für den Nachfolger eine große Glaskuppel nicht in Frage. Stattdessen sollte wieder eine Kopfhaube verwendet werden.


    Folgende Änderungen auf Basis von Magic Scooter 1 wurden vorgenommen:
     
  • 20 cm Tieferlegung :
    Hier bin ich einen Kompromiß eingegangen. Einerseits sollte die Frontfläche verringert und dabei noch die Laufräder in den Hauptströmungskörper mit einbezogen werden. Zudem reduziert sich durch eine niedrigere Seitenfläche die Anfälligkeit für Seitenwind, denn der Hebelarm wird geringer und der Seitenwind ist weiter unten durch die Bodengrenzschicht harmloser. Auf der anderen Seite sollte der Schwerpunkt nicht so weit dem Boden angenähert werden, daß der Geradeauslauf durch nervöses Lenkverhalten zu sehr leidet. Außerdem sollte das Landefahrwerk noch Platz finden, wozu eine gewisse Höhe erforderlich war.
  • Form der Spitze :
    Um den Ausschnitt für das schwenkende Vorderrad möglichst klein zu halten, wurde die Verkleidung von der Spitze an möglichst weit nach unten gezogen, sodaß am Vorderrad nur noch weniger als 5 cm Bodenfreiheit übrigblieben. Aus diesem Grund habe ich verständlicherweise bei MS2 auf eine Federung verzichtet.
    Da durch die Bodennähe die Strömung an der Unterseite der Verkleidung besonders stark beschleunigt wird, habe ich versucht, die Front im unteren Bereich möglichst spitz zu formen, sodaß möglichst wenig Luft unter das Rad gerät und stattdessen an den Seiten vorbeigeführt wird, obwohl dies eventuell negative Auswirkungen auf die Seitenwindempfindlichkeit haben könnte.
  • Form und Größe der Kopfhaube :
    Die Breite wurde maßvoll verringert, da die Kopfhaube bei MS1 breiter als unbedingt erforderlich war. Zudem wurde die Kopfhaube zum Heck hin etwas angehoben und "schnittiger" geformt.
  • Form des Hecks :
    Das Heck wurde so verlängert, daß wieder ein normales 28zölliges Hinterrad reinpaßt. Dies wäre sonst wegen der Tieferlegung nicht mehr möglich gewesen.
  • Atemluftzuführung :
    Bei der Innenraumbelüftung wurde diesmal besonderer Wert auf eine optimale Atemluftversorgung gelegt. Daher habe ich einen kleinen NACA-Einlaß kurz vor der Kopfhaube platziert und die Luft durch den Lenker direkt in Richtung Mund geleitet. Um diese Luft auch noch zur Kühlung nutzen zu können, ist der Innenraum nach hinten / unten abgedichtet. So muß die Luft notgedrungen über den Oberkörper und an den Beinen vorbei in Richtung Vorderrad-Ausschnitt strömen.
  • Verkleidung der Laufräder :
    Um Verwirbelungen im Innern zu vermeiden, wurden bei MS2 auch die Laufräder verkleidet. Auf Grund der hohen zu erwartenden Geschwindigkeiten wurde dabei auch darauf geachtet, die Hohlräume möglichst gut abzudichten. Ich wollte so verhindern, daß die Luft im Innern wie in einer Zentrifuge nach außen gedrückt wird und sich dann ein ständiger Luftdurchsatz einstellt.

    Vergleich der Aerodynamik verschiedener Räder bei Frontalanströmung :
  •   cW*A cW-Werte Stirnfläche
    Rennrad, je nach Fahrer und Ausstattung 0,23 - 0,40

    0,5 - 0,75

    0,4 - 0,55

    unverkleidetes Liegerad, tief 0,24

    0,74

    0,32

    Liegerad tief mit Heckverkleidung 0,187

    0,54

    0,35

    M5-Lowracer, vollverkleidet 0,047

    0,16

    0,29

    Cutting Edge 0,032

    0,125

    0,26

    Pinguin ( Frank Lienhard ) 0,0245

    0,098

    0,25

    Varna Diablo 2002 0,0185

    0,097

    0,191

    Magic Scooter 2 0,0225

    0,067

    0,335


    Da die Werte aus verschiedenen Quellen stammen, sind sie nur bedingt miteinander vergleichbar und sollten nur als Anhaltspunkte dienen.

    Widerstandsvergleich

    Für den Rollwiderstand wurden einheitlich folgende Werte verwendet :
    cr= 0,004
    Gewicht Rad+Fahrer = 85 kg

    Zu den Leistungen in obigem Diagramm müssen noch Antriebsverluste sowie Widerstände aus Steigung und Beschleunigung hinzugerechnet werden. Zudem wurden ideale Bedingungen vorausgesetzt, d.h. durch Wind, Fahrzeugpendelbewegungen, erhöhten Anpreßdruck in Kurven, etc. können noch weitere Widerstände hinzukommen.